Start News Tarifkonflikt bei der Lufthansa – es geht nicht um Geld

Tarifkonflikt bei der Lufthansa – es geht nicht um Geld

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Die Vereinigung Cockpit meldet sich zu Wort und erklärt die Tarifauseinandersetzung mit der Lufthansa aus ihrer Sicht. Für Geschäftsreisende und Urlauber, die bei einem Streik mit erheblichen Behinderungen rechnen müssen, durfte es ein ganz schwacher Trost sein, dass es eigentlich gar nicht um mehr Geld für die Piloten geht, sondern lediglich um die Verteidigung der Übergangsversorgung für die Lufthansa-, Lufthansa Cargo und Germanwings-Piloten.
Tja… die Mehrheit der Passagiere hat bestimmt gedacht, die Piloten wollen nur mehr Geld. So kann man sich Irren.
Nachfolgend die Pressemitteilung zu den „wahren“ Gründen der Streikandrohung und anschließend die FAQs zur Tarifauseinandersetzung mit der Deutschen Lufthansa.
„In den vergangenen Tagen waren diverse Nachrichten zu lesen, die aus Sicht der Vereinigung Cockpit einer Klarstellung bedürfen.
In dem angekündigten Arbeitskampf geht es ausschließlich um die Übergangsversorgung für die Lufthansa-, Lufthansa Cargo und Germanwings-Piloten, die auch zukünftig einen individuellen, vorzeitigen Ausstieg aus dem besonders belastenden Berufsleben ermöglichen soll. Die Arbeitgeberseite hat die Tarifverträge vor einem Jahr gekündigt und fordert seitdem, dass die Übergangsversorgung letztlich abgeschafft werden soll.
Die Vereinigung Cockpit kämpft somit gegen tiefgreifende Einschnitte in soziale Errungenschaften im Bereich der Vorsorge.
Um die Vergütung der Piloten geht es definitiv nicht, obwohl dies in den letzten Tagen immer wieder zu lesen war. Ziel des Streiks ist der Abschluss eines Tarifvertrages Übergangsversorgung. Dies wurde dem Management schriftlich mitgeteilt.
Die Diskussion über Gehälter dient aus Sicht der Vereinigung Cockpit einzig dazu, von der eigentlichen Diskussion abzulenken und den Eindruck zu erwecken, es ginge um Zuwächse für die Piloten. Richtig ist, dass das Management in vielen Bereichen massive Forderungen gestellt hat.
Auf der Pressekonferenz am 25.08.2014 wurde seitens des Managements behauptet, ein im Mai zugesagtes Angebot seitens der Vereinigung Cockpit sei nicht übergeben worden. Diese Darstellung ist irreführend. Im Nachgang der Streikmaßnahmen im April wurde der Wunsch an die Vereinigung Cockpit herangetragen, ein Moderationsverfahren zu begleiten, noch bevor das konkrete Angebot der Vereinigung Cockpit abgegeben werden konnte. Ein konkretes Angebot hätte einem Moderationsverfahren diametral entgegen gestanden, weshalb man sich gemeinsam verständigt hatte, lieber das Moderationsverfahren zu beginnen, statt in konkrete Verhandlungen einzusteigen. Insofern hat die VC auf ausdrücklichen Wunsch des Managements das Angebot nicht abgegeben. Dies wird auch im internen Schreiben des Lufthansa Managements an die Belegschaft vom 25.08.2014, im Gegensatz zur Pressekonferenz, so eingeräumt. Alle in der Pressekonferenz angemahnten Antworten (Seite 9 der Präsentation) sind schon vor Monaten erfolgt. Es bleibt festzuhalten, dass nicht die Vereinigung Cockpit, sondern das Management im Obligo ist.
Die Verhandlungen wurden nicht „von der Vereinigung Cockpit abgebrochen“, sondern sind an der nicht erfolgten Abgabe eines konkreten, kompromissfähigen Angebots des Lufthansa Managements gescheitert. Weitere Verzögerungen sind aus Sicht der Vereinigung Cockpit angesichts der inzwischen fünfzehn zu lösenden Tarifthemen und der hohen Dynamik des Umfeldes nicht mehr zu verantworten. Bestärkt wird die Vermutung der Vereinigung Cockpit, dass das Management auf Zeit spielen möchte, durch den offensichtlich untauglichen Vorschlag, Verhandlungen über mehrere Monate zu führen, an deren Ende dann eine Schlichtung steht. Ein solcher Ansatz führt logischerweise zu einer Verhandlungsstarre.
Jörg Handwerg, Sprecher der Vereinigung Cockpit: „Wir wollen in einem Neuabschluss im Wesentlichen die bestehenden Regelungen zur Übergangsversorgung übernehmen. Es geht also nicht um eine Verbesserung der Bedingungen. Im Gegenteil: Die Vereinigung Cockpit hat sich verpflichtet, dass gegenüber dem bisherigen Vertrag Kostensenkungen für Lufthansa erzielt werden. Hierzu bedarf es aber eines grundsätzlichen Willens seitens des Managements zu einem Kompromiss, statt eines Kahlschlages.“
Ein zuverlässiger und vertragstreuer Verhandlungspartner ist die unabdingbare Basis für eine funktionierende Tarifpartnerschaft. Lösungen können nur durch Kompromisse gefunden werden, weshalb die Vereinigung Cockpit das Management der Lufthansa auffordert, endlich an realistischen Kompromissen zu arbeiten und ihre Kahlschlagpläne aufzugeben.
Die Vereinigung Cockpit erwartet für die am kommenden Donnerstag, den 28.08.2014 anberaumten Verhandlungen, dass das Lufthansa-Management seine Forderungen korrigiert und endlich auf einen ernsthaften und ehrlichen Lösungskurs einschwenkt.
Bis zu einer Einigung hält die Vereinigung Cockpit die Planungen für Arbeitskampfmaßnahmen aufrecht.“
FAQs zur Tarifauseinandersetzung mit der Deutschen Lufthansa
Wieso wollen die Piloten streiken?
Die Piloten streiken nicht für höhere Gehälter! Gegenstand des Arbeitskampfes ist ausschließlich die sog. Übergangsversorgung. Der Lufthansa-Vorstand will diese streichen.
Nachdem das Lufthansa-Management in den letzten Jahren und nur mit dem Ziel der Gewinnmaximierung immer mehr profitable Arbeitsplätze von Deutschland ins Ausland verschoben hat, wurde im letzten Jahr der Angriff auf die Versorgungssysteme aller Lufthansa Mitarbeiter begonnen. Als erstes möchte man bei den Cockpitmitarbeitern anfangen.
Für jeden Piloten werden während seiner Firmenzugehörigkeit Gehaltsbestandteile rückgestellt, die es ermöglichen, die berufliche Tätigkeit vorzeitig beenden zu können. Menschen altern unterschiedlich schnell und die Belastungen im Beruf des Piloten sind nicht zuletzt aufgrund der ständigen Zeitverschiebungen, der Nachtflüge, des Extremschichtdienstes, der Klimaverschiebungen, der Strahlenbelastung etc. sehr hoch. Deshalb muss es den Piloten möglich sein, individuell entscheiden zu können, ob sie sich den Belastungen noch gewachsen fühlen. Das ist vor allem auch im Interesse der Sicherheit der Passagiere. Oder möchten Sie mit Piloten fliegen, die sich nicht mehr fit fühlen, aber aus finanziellen Gründen weiterfliegen müssen?
Kann sich das Unternehmen angesichts des harten Wettbewerbs noch eine „kostspielige“ Übergangsversorgung leisten?
Die Übergangsversorgung ist für das Unternehmen fast kostenneutral. Das ergibt sich aus der Tatsache, dass die älteren Kollegen ein höheres Gehalt bekommen als die jüngeren. Gehen die Älteren in die Übergangsversorgung, werden an deren Stelle junge Piloten eingestellt und nachgeschult. Dieser Prozess senkt die Kosten pro Durchschnittspilot und somit die Cockpit-Personalkosten deutlich ab.
Warum möchte das Lufthansa-Management dann die Übergangsversorgung abschaffen?
Das Management der Lufthansa möchte die Unternehmensgewinne und somit die Dividende der Aktionäre massiv steigern. Dazu wurden im Rahmen des Sparprogramms „SCORE“ sämtliche Versorgungstarifverträge aller Lufthansa-Mitarbeiter gekündigt. Neben der Betriebsrente erhält das Cockpit- und Kabinen-Personal zusätzlich eine Übergangsversorgung, welche ein Ausscheiden vor der gesetzlichen Regelaltersgrenze ermöglicht. Dies ist schon alleine deshalb nötig, weil es Piloten aus guten Gründen gesetzlich nicht erlaubt ist, bis zu dieser zu arbeiten.
Eine Abschaffung der Übergangsversorgung würde es dem Konzern-Vorstand außerdem ermöglichen, das angesparte Geld der Mitarbeiter einzukassieren.
Wieso wehren sich die Piloten so energisch?
Die Piloten, die im Unternehmen arbeiten, fühlen sich betrogen. Seit Beginn ihrer Tätigkeit gab es immer die arbeitsvertragliche Möglichkeit, ab dem 55. Lebensjahr aus dem aktiven Flugdienst ausscheiden zu können. Die dafür erforderlichen Gelder waren immer Gegenstand der Tarifverhandlungen. Nun versucht das Management, ihnen diese Versorgung zu streichen und sie faktisch dazu zu zwingen, bis zu acht Jahre länger zu arbeiten. Ganze Lebensplanungen werden so zunichte gemacht.
Sind Streiks angemessen?
Angesicht der langen Verhandlungsdauer sehen Sie, dass auch die Vereinigung Cockpit bei Arbeitskämpfen immer dem „ultima-ratio“-Prinzip folgt.
Das Lufthansa-Management hat ein „Angebot“ unterbreitet. Warum geht die VC darauf nicht ein?
Es gibt kein Angebot des Managements! Es gibt nur massive Forderungen, welche auch nach dem Arbeitskampf im April unverändert geblieben sind!
Im Gegensatz dazu hat die Vereinigung Cockpit angeboten, das aktuelle Kostenniveau der Übergangsversorgung zukünftig zu deckeln. Darauf wurde seitens des Managements jedoch nicht ernsthaft eingegangen.
Die Arbeitsdirektorin Frau Dr. Volkens behauptet auf der Pressekonferenz am 25.08.2014, die VC habe ein zugesagtes Angebot nicht vorgelegt. Ist das so?
Richtig ist, dass die VC auf Wunsch von Frau Dr. Volkens in einen gemeinsamen Moderationsprozess eingestiegen ist. Beide Seiten waren sich einig, dass ein konkret formuliertes Angebot zu diesem Zeitpunkt diesen Prozess gestört hätte, weshalb die VC dieses dann auch einvernehmlich nicht erbracht hat.
Warum hat die VC den Moderationsprozess abgebrochen und die Verhandlungen erneut für gescheitert erklärt?
Die VC hat den Moderationsprozess nicht abgebrochen. Im Laufe des Prozesses wurde jedoch erkennbar, dass nicht das Erreichen eines Kompromisses im Fokus des Managements stand, sondern eher das Spiel auf Zeit. Das Management wurde daher aufgefordert, ein kompromissfähiges Angebot zu unterbreiten. Vorgelegt wurde jedoch erneut die von der VC bereits Ende März zurückgewiesene Forderung.
Denken Sie gar nicht an die Passagiere?
Natürlich denken wir an unsere Passagiere und bedauern die Unannehmlichkeiten ausdrücklich. Im Dienstleistungssektor ist es jedoch leider nicht möglich, einen Streik durchzuführen, ohne dass Menschen davon betroffen sind. Um überhaupt eine Chance zu haben, von kompromisslosen Arbeitgebern gehört zu werden, bleibt den Arbeitnehmern bei Tarifauseinandersetzungen am Ende nur das Mittel des Arbeitskampfes. Die Vereinigung Cockpit sieht die Verantwortung für den aktuellen Arbeitskampf somit ausschließlich beim Lufthansa-Vorstand.
Aber Sie schaden doch Ihrem eigenen Unternehmen?
Die VC und ihre Piloten sind der festen Überzeugung, dass die Herausforderungen für die Lufthansa in der Zukunft nur gemeinsam und auf Basis vernünftiger Kompromisse gemeistert werden können. Gerade im derzeitigen Umfeld werden alle verfügbaren Kräfte benötigt, um den Kunden das beste Produkt am Markt zu bieten. Seit Jahren erfolgende, permanente Angriffe auf die Arbeitsbedingungen und Versorgungssysteme der Mitarbeiter demotivieren und machen dies unmöglich. Die ausschließliche Fokussierung des Managements auf die Kosten birgt darüber hinaus die Gefahr, die Kunden aus dem Blick zu verlieren.
Es liegt jetzt alleine in der Verantwortung des Lufthansa-Vorstandes, seinen aggressiven und gegen das Personal gerichteten Profit-Maximierungskurs aufzugeben und stattdessen einen konstruktiven Weg einzuschlagen. So können Streiks verhindert werden.