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Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen vor dem Hintergrund des arabischen Frühlings 2011

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Auf den ersten Blick erscheint Nordafrika als eine eher homogene Region. Die nordafrikanischen Staaten teilen die gleiche geschichtliche, kulturelle und religiöse Vergangenheit. Sie haben mit Arabisch eine gemeinsame Sprache, mit dem Islam eine gemeinsame Religion. Wenn auch die sozialen und politischen Lebensumstände ähnlich gelagert sind, gibt es einen integrierten Wirtschaftsraum Nordafrika nicht. Auch die Gründung der Maghreb-Union 1989 in Marrakesch hat bislang zur wirtschaftlichen Integration der Unterzeichnerstaaten Algerien, Tunesien, Marokko, Libyen und Mauretanien nicht beitragen können. Der Warenaustausch unter ihnen ist gering. Nach Schätzung der Weltbank ist der Maghreb die am wenigsten wirtschaftlich integrierte Region weltweit.

Ein Großteil der Bevölkerung lebt in Armut. Die Analphabetenrate liegt nach GTAI zwischen rund 22 % in Tunesien und über 40 % in Marokko. Die relativ jungen Bevölkerungen in den Staaten suchen Zukunftschancen. Die politischen Regime sehen sich mit liberalen Bewegungen konfrontiert. Anfang 2011 fand die Perspektivlosigkeit weiter Bevölkerungsschichten im Protest ein Ventil. Diese führten zunächst in Tunesien und kurze Zeit später in Ägypten zum Sturz der Regierungen. In Libyen versuchte sich die Regierung mit Gewalt gegen die eigene Bevölkerung an der Macht zu halten. Nach einem monatelangen Krieg wurde auch sie gestürzt. Die Regierungen in Algerien und Marokko agierten anders und verringerten den Druck durch finanzielle Zugeständnisse und Ankündigungen von Reformen. Da in jedem Land insbesondere die politischen Voraussetzungen und der Einfluss liberal-demokratischer und gemäßigter islamischer Kräfte auf der einen Seite und fundamentaler islamischer Kräfte auf der anderen Seite unterschiedlich gelagert sind, nehmen die Reformprozesse einen jeweils landestypischen Verlauf. Die Ergebnisse der dynamischen Prozesse sind letztendlich nicht vorhersehbar. Die deutsche Bundesregierung und die EU unterstützen den Demokratisierungsprozess in den Transformationsländern, was zu einer Stabilisierung der Situation beitragen soll.


Weil die Volkswirtschaften der Region heute noch weitgehend voneinander isoliert und für die meisten Branchen die Marktvolumina in den einzelnen Ländern noch niedrig sind, ist der Aufwand bei der Markterschließung und Marktbearbeitung relativ hoch. Für die Messeaktivitäten von Ausstellern in der Region bedeutet das, dass in der Regel alle infrage kommenden Messen in den anvisierten Zielmärkten zu beschicken sind. Ein grenzüberschreitender Messebesuch im Nachbarland ist selten.



Die fünf Messemärkte Ägypten, Tunesien, Algerien, Marokko und Libyen verbindet aktuell insbesondere eins: Infolge der gesellschaftlichen und politischen Veränderungen ist ein nicht unerheblicher Wechsel der Geschäftspartner auf Seiten der Transformationsstaaten zu erwarten, insbesondere in Branchen mit bislang starker Nachfrageorientierung aus öffentlichen Stellen. In einem Umfeld, in dem ein großer Teil potentiellen Geschäftspartner erst noch zu identifizieren ist, tragen Messen wesentlich dazu bei, neue Geschäftsbeziehungen effizient anbahnen zu können. Denn: Als Instrument der räumlichen und zeitlichen Komprimierung von Marktnachfrage müssen sich die potentiellen Geschäftspartner im Vorfeld der Messe nicht bekannt sein.


Voraussetzung dafür, dass Kaufentscheider in großer Zahl als Fachbesucher erwartet werden können, ist, dass die Kompetenzen in den sich neu formierenden Regierungen geregelt oder, bei einer Verlagerung der wirtschaftlichen Aktivitäten in den privatwirtschaftlichen Bereich, die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen sind und die privaten Marktteilnehmer bereits ihre Arbeit aufgenommen haben. Bis dahin werden sich die Wirtschaftsteilnehmer auf beiden Marktseiten in eine Warteposition begeben. In der Regel bedeutet das bei international tätigen Ausstellern, dass sie sich an den wichtigen Messen ihrer Branche beteiligen, aber in einem der Situation angepassten Umfang, was Fläche und Standbau betrifft.

Tritt die von den Regierungen angestrebte wirtschaftliche Belebung ein, wird dies die Messeaktivitäten zusätzlich beflügeln. Perspektivisch ist also eine Belebung der Messeaktivitäten in der Region zu erwarten.

Quelle: www.auma.de