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Vierte Auflage der Allianz Trade Global Survey veröffentlicht

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In der vierten Auflage der Allianz Trade Global Survey hat der Kreditversicherer 4.500 Exporteure in neun Ländern[1] zu den größten Chancen und Risiken im Welthandel, bei Lieferketten, wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten sowie zu ihren Bewältigungsstrategien befragt. Die Besonderheit in diesem Jahr: Die Unternehmen wurden in zwei Wellen befragt – einmal vor und einmal nach dem „Liberation Day“ (2. April 2025) und der Eskalation der Zollspirale. Die Ergebnisse zeigen deutliche Verschiebungen in den Wachstumserwartungen und Risikoeinschätzungen – insbesondere hinsichtlich Zahlungsrückständen – sowie vielfältige Strategien, um die Auswirkungen des Handelskriegs abzumildern. Trotz der bilateralen Handelsabkommen der letzten Wochen bleibt die Unsicherheit bestehen. Ein Teil der Entspannung könnte nur vorübergehend sein.

„Im krassen Gegensatz zum großen Optimismus vor der Ankündigung der Zölle am 2. April bestätigt die diesjährige Global Survey, was wir auf allen Märkten beobachten: Unsicherheit und Fragmentierung begleiten uns noch länger“, sagt Aylin Somersan Coqui, CEO von Allianz Trade. „Der Liberation Day hat die Schwachstellen von Unternehmen mit stark konzentrierten Lieferketten und Exportmärkten offenbart. Die Zahlen sprechen für sich: Die positiven Exportprognosen sind weltweit von 80 % auf 40 % gesunken. 42 % der Unternehmen rechnen nun mit einem Rückgang ihrer Exportumsätze zwischen 2 % und 10 %. Vor dem 2. April lag dieser Wert bei lediglich 5 %. Trotz der jüngsten bilateralen Handelsabkommen mit Großbritannien und China schätzen wir die weltweiten Exportverluste für 2025 auf erhebliche 305 Mrd. US-Dollar. Die Unternehmen bleiben allerdings nicht untätig. Nachdem sie seit 2020 mehrere Schocks bewältigt haben, passen sie sich erneut an. Sie diversifizieren ihre Partner, gestalten ihre Logistik neu und verankern die Risikoteilung in der gesamten Wertschöpfungskette. Denn in der heutigen Handelslandschaft hängt der Erfolg zunehmend von der Anpassungsfähigkeit ab.“

Deutschland: Erleichterung über Handelsabkommen – aber Lage kann sich schnell drehen
Deutsche Exporteure sorgen sich deutlich mehr um geopolitische Risiken und Protektionismus (35 %) als ihre Pendants in anderen Ländern (29 %). Weitere Top-Risiken der deutschen Unternehmen bleiben hohe Energiekosten, Lieferkettenstörungen und Zahlungsrisiken.

Auch bei deutschen Unternehmen haben sich die Wachstumsaussichten bei den Ausfuhren stark eingetrübt. Vor dem Handelskrieg rechneten noch acht von zehn der befragten deutschen Unternehmen (82 %) mit steigenden Umsätzen bei ihren Ausfuhren. Damit war die Stimmung zu Jahresbeginn ähnlich positiv wie im Vorjahr (81 %). Nach der Eskalation der Zollspirale hat sich die Zahl der Optimisten allerdings halbiert: Nur noch 40 % der deutschen Exportunternehmen erwarten steigende Umsätze.

„Mit den bilateralen Handelsabkommen – insbesondere zwischen den USA und China – ist ein heftiger Wirbelsturm zunächst einmal an Deutschland vorbeigezogen“, sagt Dr. Jasmin Gröschl, Senior Volkswirtin von Allianz Trade. „Mit der drohenden Umleitung von chinesischen Warenströmen in die Europäische Union und insbesondere nach Deutschland stand viel auf dem Spiel – in der Industrie sogar zehntausende Jobs. Insofern ist die Erleichterung bei hiesigen Unternehmen groß. Eine stabile Schönwetterlage zeichnet sich allerdings nicht ab. Die Unsicherheiten sind gekommen, um zu bleiben, und ein Teil der Entspannung könnte nur vorübergehend sein.“

Wenig überraschend rechnet jedes vierte deutsche Unternehmen (43 %) mit insgesamt negativen Auswirkungen des Handelskriegs (weltweit: 60 %) und mit einem Rückgang des eigenen Exportumsatzes (Deutschland: 39 %; weltweit: 45 %). Die Auswirkungen gehen dabei weit über das reine Handelsvolumen hinaus: Rund ein Drittel der befragten Unternehmen in Deutschland (34 %) erwägt aufgrund der Kombination aus Zöllen und Währungsschwankungen eine vorübergehende Einstellung der Produktion – dies ist insbesondere in den Branchen der Fall, die stark von importierten Vorleistungen abhängig sind. Weltweit liegt dieser Anteil bei nur etwa einem Viertel (27 %).

Hamstern 2.0: Unternehmen nutzen 90 Tage Moratorium für verstärkte Ex- und Importe
Unternehmen dürften demnach das 90-tägige Moratorium nutzen (12. August für China und 8. Juli für den Rest der Welt), möglichst viele Waren zu versenden und zu ordern – wie auch schon zu Beginn des Jahres: 86 % der US-Unternehmen gaben an, dass sie ihre Importe aus China und der EU vor Inkrafttreten der Zölle vorgezogen haben, in Deutschland waren es 84 %. Bemerkenswert ist, dass etwa ein Viertel der befragten deutschen Unternehmen (24 %) angab, sogar schon vor den US-Wahlen damit begonnen zu haben. Weitere 60 % starteten entweder nach den Wahlen (27 %) oder in den letzten Monaten (33 %).

Preissteigerung: Deutsche Firmen geben weniger Kosten an Kunden weiter als Wettbewerber
Die durch die Zölle gestiegenen Kosten machen Unternehmen auf der ganzen Welt zu schaffen. Die Bewältigungsstrategien sind allerdings unterschiedlich. Nur jedes fünfte Unternehmen weltweit (22 %), plant, die gestiegenen Kosten selbst zu absorbieren, anstatt sie an die Kunden weiterzugeben. In Deutschland gilt das für fast ein Drittel (30 %), in China sogar für 34 % der befragten Unternehmen. Die Weitergabe der gestiegenen Kosten an Kunden ist hingegen bei rund 38 % der weltweiten Unternehmen das Mittel der Wahl. Dies ist insbesondere in den USA der Fall, wo mehr als die Hälfte der Unternehmen eine Preiserhöhung plant (54 %). Deutsche Exporteure sind bei Preiserhöhungen mit etwa 32 % zurückhaltender. Hierzulande planen rund 17 % der Unternehmen sogar, ihre Preise zu senken, um Marktanteile zu halten – das ist mehr als der globale Durchschnitt (14 %).

Die Diversifizierung von Lieferketten und Kundenstämmen ist eine bewährte Strategie zur Risikominderung. Das ist nicht verwunderlich, da 54 % der Befragten geopolitische und politische Risiken sowie soziale Unruhen als eine der drei größten Bedrohungen für ihre Lieferketten ansehen. Mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen (30 %) hat bereits neue Exportmärkte gefunden, während fast zwei Drittel (63 %) dies vorhaben. In Deutschland planen über 90 % der deutschen Exporteure entsprechende Schritte, rund ein Drittel (32 %) hat bereits neue Märkte erschlossen, weitere 59 % wollen diesen Schritt im kommenden Jahr gehen.

Um die Zollkosten unter Kontrolle zu halten, suchen die meisten Unternehmen nach alternativen Versandwegen, darunter 62 % der US-Unternehmen. Die Umfrage zeigt auch, dass die Unternehmen hinsichtlich der Handelsbedingungen zunehmend die Verantwortung für die Logistik und die Kosten (einschließlich Zollabfertigung) bis zum Standort des Käufers auf ihre Lieferanten übertragen. Eine interessante Ausnahme bilden die USA, wo „Cost, Insurance & Freight“ (CIF) nach wie vor die Regel ist. Die Unternehmen wollen auch die Kosten der Wechselkursschwankungen weitergeben. 59 % von ihnen bevorzugen die Aufnahme von Preisklauseln in Verträge, um das Wechselkursrisiko mit Kunden und Lieferanten zu teilen.

Deutsche Exporteure setzen jetzt vor allem auch auf Kosteneinsparungen (45 %) und Effizienzsteigerungen in der eigenen Produktion, halten jedoch angesichts der Unsicherheiten auch teilweise größere Investitionen zurück (20 %). Die Hälfte der deutschen Exporteure verhandelt zudem mit bestehenden Lieferanten (50 %) über bessere Konditionen bei Einkauf und Transport, ein weiteres Drittel (34 %) sucht neue Lieferanten.

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte: Lateinamerika profitiert vom Handelskrieg
Die Entkopplung von USA und China dürfte sich trotz der 90-tägigen Aussetzung der Zölle mittelfristig fortsetzen. Die Exportabsichten der US-Unternehmen nach China und Ostasien halbierte sich nach dem Tag der Befreiung auf 10 %. Die Erwartungen chinesischer Unternehmen hinsichtlich ihrer Exporte nach Nordamerika brachen von 15 % auf 3 % ein. US-Unternehmen mit Produktionsstätten in China suchen zunehmend nach Alternativen außerhalb Asiens: Ein Viertel von ihnen zieht Westeuropa in Betracht, ein weiteres Viertel Lateinamerika.

„Auch wenn das neue Handelsabkommen den durchschnittlichen US-Einfuhrzollsatz für China von atemberaubenden 103 % auf 39 % senkt, liegt dieser immer noch weit über dem vor der zweiten Trump-Regierung geltenden Satz von 13 %“, sagt Françoise Huang, Senior Volkswirtin bei Allianz Trade. „Vor diesem Hintergrund dürfte das sogenannte ‚Friendshoring‘, also die Handelsbeziehungen mit wohlgesonnen Nationen, weiter an Bedeutung gewinnen: Europa und Lateinamerika entwickeln sich zu attraktiven Alternativen für chinesische Unternehmen. Auch europäische Unternehmen zeigen zunehmend Interesse an Exporten nach China und Asien. Insgesamt entwickelt sich Lateinamerika zum Gewinner der Umleitungs- und Handelsumgehungsstrategien. Aufgrund der geringeren Kosten fassen sowohl chinesische als auch europäische Unternehmen die Region als Zugang zu den USA ins Auge.“

Vorsicht Zahlungsausfälle – fast die Hälfte fürchtet mehr Ausfälle, Deutsche optimistischer
Der Handelskrieg hat die Erwartungen hinsichtlich der Zahlungsbedingungen getroffen: Nach dem Tag der Befreiung rechnen 25 % der Exporteure mit Zahlungsfristen, die um mehr als 7 Tage länger sind, was einem Anstieg von +13 Prozentpunkten entspricht. Fast die Hälfte der Exporteure (48 %) rechnet mit einem erhöhten Zahlungsausfallrisiko – insbesondere in den USA, Italien und Großbritannien. Dies spiegelt die allgemeine Verschlechterung der globalen Handelsbedingungen wider. Anders als in den Vorjahren sind die Deutschen aber deutlich optimistischer als der weltweite Schnitt. In Deutschland erwartet fast jedes vierte der befragten Unternehmen eine sich verschlechternde Zahlungsmoral (37 %) und ein Drittel mehr Zahlungsausfälle (34 %).

Nur 11 % der Exportunternehmen werden weiterhin innerhalb von 30 Tagen bezahlt, wobei dieser Anteil bei den Top-Exporteuren wie den USA, China und Deutschland deutlich geringer ist. Etwa 70 % der Unternehmen erhalten Zahlungen zwischen 30 und 70 Tagen – dieser Anteil ist im Vereinigten Königreich (75 %), in Frankreich (73 %), Italien (73 %) und den USA (73 %) etwas höher und variiert je nach Branche und Unternehmensgröße.

„Größere Unternehmen sind meist mit längeren Zahlungszielen konfrontiert: Rund ein Viertel (26 %) der befragten Unternehmen mit einem Umsatz von über 5 Mrd. EUR hat Zahlungsfristen von mehr als 70 Tagen, verglichen mit 18 % im Gesamtdurchschnitt“, sagt Ana Boata, Leiterin Economic Research bei Allianz Trade. „Dies deutet darauf hin, dass große Unternehmen zunehmend die Rolle einer unsichtbaren Bank für kleinere Unternehmen übernehmen. Da Exporteure mit längeren Zahlungszyklen und steigenden Insolvenzrisiken konfrontiert sind, stehen sie unter Druck, Kosten weiterzugeben, neue Märkte zu erschließen oder sogar ihre gesamte internationale Präsenz zu überdenken.“
Die vollständige Studie / Exportumfrage gibt es hier.

[1] Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Polen, Großbritannien, den USA, Singapur und China. Gemeinsam machen diese Länder insgesamt fast 60 % der weltweiten Wirtschaftsleistung (weltweites Bruttoinlandsprodukt, BIP) aus.
Quelle: Allianz Trade / Bild: Pixabay

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