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Lust und Frust des Bahnfahrens

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Die Bahn soll aus Sicht von Fahrgästen und potentiellen Fahrgästen vor allem pünktlich und sicher sein. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse des VCD Bahntest 2009, den der Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) heute in Berlin vorgestellt hat. Würden beim Bahnfahren diese sowie weitere Faktoren wie Schnelligkeit oder geringere Kosten häufiger erfüllt, würden laut Untersuchung 47,2 Prozent der Befragten die Bahn künftig häufiger nutzen. Ein weiteres zentrales Ergebnis ist, dass Flexibilität gefolgt von der Fahrtdauer der wichtigste Faktor für die Wahl des Verkehrsmittels und der am häufigsten genannte Grund für die Nutzung des eigenen Pkw ist. Nichtnutzer schätzen die Bahn bei Kriterien wie Erreichbarkeit, Preisvorteil oder Schnelligkeit durchweg schlechter ein als die Nutzer. Der VCD forderte Bundesregierung, Länder und Eisenbahnunternehmen gleichermaßen auf, die Bahn flexibler, pünktlicher und sicherer zu machen und Vorurteilen gegenüber der Bahn mit intensiver Werbung sowie mit einer attraktiven und übersichtlichen Tarifpolitik zu begegnen.

Mit seiner Analyse der Mobilitätsbedürfnisse von Nutzern und Nichtnutzern der Bahn will der VCD aufzeigen, wo die Potenziale im Bahnverkehr liegen und was getan werden muss, damit mehr Menschen auf die umweltfreundliche Bahn umsteigen. Wie schon in den vergangenen Jahren hat der VCD das Hamburger Qualitätsforschungsinstitut Quotas mit der Untersuchung zum VCD Bahntest beauftragt. In einem Panelverfahren wurden Antworten von insgesamt 2 600 Personen ausgewertet.



Michael Gehrmann, VCD-Bundesvorsitzender: „Basierend auf unseren Daten fordern wir nicht weniger als eine Revolution im Bahnverkehr in Deutschland. Für mehr Flexibilität müssten nach Schweizer Vorbild alle Züge immer zur gleichen Zeit abfahren und ankommen. Durch diesen sogenannten Deutschland-Takt gäbe es mehr und schnellere Verbindungen mit optimalen Umsteigemöglichkeiten, und die Abfahrts- und Ankunftszeiten wären leicht zu merken. Außerdem muss die unübersichtliche Preis- und Fahrscheinpolitik der Bahn ein Ende haben. Die Tickets müssen insgesamt günstiger werden, statt verbilligte Tickets mit Zugbindung anzubieten. Und wir brauchen ein einheitliches Tarifsystem für den Nah- und Fernverkehr.“ Alle Züge müssten – so wie in der Schweiz – mit jedem Fahrschein zum gleichen Preis auf einer Strecke genutzt werden können, egal ob Nah- oder Fernverkehrszüge und egal, welches Eisenbahnverkehrsunternehmen.

Bemerkenswert sei, dass die befragten Fahrgäste für Pünktlichkeit und Sicherheit auch längere Fahrzeiten und höhere Preise in Kauf nehmen würden. Daher müsse laut VCD die Deutsche Bahn AG und andere Verkehrsunternehmen nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen sondern vor allem für die Attraktivität der Bahn alles dafür tun, verlängerte Fahrtzeiten und Verspätungen zu vermeiden.
Heidi Tischmann, VCD-Verkehrsreferentin: „Damit die Bahn pünktlicher wird, müssen Langsamfahrstellen durch eine qualitativ hohe Instandhaltung des gesamten Schienennetzes zur Ausnahme werden. Und auch die manchmal wochenlangen Sperrungen von Streckenabschnitten wegen aufwändiger Reparaturarbeiten – wie derzeit zwischen Hamburg und Berlin und bald leider auch zwischen Berlin und Hannover – verprellen die Fahrgäste. Es werden Überholgleise benötigt, damit liegengebliebene Züge nicht alle anderen aufhalten, und das Wagenmaterial muss technisch fehlerfrei sein.“ Zudem sei es wichtig, Fahrgäste darüber zu informieren, dass und warum es zu Verspätungen komme und welche Anschlusszüge erreicht würden. Gerade im Nahverkehr der Bahn gäbe es bei der Informationspolitik noch ein großes Optimierungspotential.

Laut Studie nutzen deutlich mehr Menschen die Bahn, wenn der Bahnhof in der Nähe des Wohnorts liegt. Eine gute Anbindung führe demnach zu einer verstärkten Nutzung des Nahverkehrs, während weitere Entfernungen zum nächsten Bahnhof die Nutzung unattraktiver machten. Dies verdeutliche, dass keine weiteren Bahnhöfe mehr stillgelegt werden dürften, so der VCD. Außerdem müsse eine gute Erreichbarkeit der Bahnhöfe durch öffentliche Verkehrsmittel gewährleistet sein.

Nicht zuletzt müsse mit den Mythen der Nichtbahnfahrenden aufgeräumt werden. Bahnreisende würden die Bahn positiver als Nichtnutzer bewerten und schätzten am Fernverkehr vor allem den Komfort, die Schnelligkeit und die Erreichbarkeit. Nichtnutzer hingegen sehen vor allem beim Preis und der Schnelligkeit das Auto im Vorteil. Dabei, so der VCD, sei Autofahren mehr als doppelt so teuer wie Bahnfahren, wenn man bei jeder Fahrt auch die Kosten für Steuern, Versicherungen etc. mit einberechne. So koste beispielsweise eine Autofahrt von Berlin nach München 328 Euro, mit der Bahn aber nur 127 Euro. Auch sei das Auto in gängigen Routenberechnungen von Tür zu Tür meist nur geringfügig schneller als die Bahn. Nichteinbezogen seien in diesen Berechnungen zudem mögliche Staus, Pannen oder die Zeit für die Parkplatzsuche. Außerdem könne die Zeit in der Bahn deutlich sinnvoller genutzt werden als im Auto.

Tischmann: „Autofahrer und Autofahrerinnen müssen die Gelegenheit bekommen, das Positive an der Bahn selbst zu erfahren. Dafür ist die DB AG mit ihren speziellen BahnCard-Angeboten für Jugendliche im Führerscheinalter schon auf dem richtigen Weg. Allerdings muss zusätzlich über offensive Werbung mit falschen Vorurteilen aufgeräumt und der Bahneinstieg durch attraktive, übersichtliche und nichtzuggebundenen Angebote erleichtert werden.“

VCD Bahntest 2009 als pdf zum Download unter www.vcd.org/bahntest.html