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Derzeitige Lage nach dem Militärputsch

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Nach dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Mohammad MURSI durch einen Militärputsch, informiert die Corporate Trust Business Risk & Crisis Management GmbH über die derzeitige Lage in Ägypten und gibt einen Ausblick auf lang-, mittel- und kurzfristige Entwicklung des Landes.

Lage

Ein Jahr nach der ersten freien Wahl eines ägyptischen Präsidenten verkündete Ägyptens Generaloberst Abdel Fattah al-Sisi am Abend des 04. Juli 2013 die Absetzung des Präsidenten Mohammad MURSIs, auf Grund massiver ziviler Unruhen. Flankiert wurde der Oberst dabei von weiteren Angehörigen des Militärs, Vertretern der Opposition, Großsheik Ahmed el-Tayeb und Papst Tawadros II, dem Vorsitzenden der ägyptischen Kopten. Über den Verbleib MURSIs und einiger enger Vertrauter gibt es keine bestätigten Angaben. Vermutlich stehen diese in einer militärischen Einrichtung unter Hausarrest. Mehrere hundert Mitglieder der Muslimbruderschaft wurden verhaftet, TV- und Medienstationen der Bruderschaft geschlossen. Die Armee setzt damit den Fahrplan um, den sie vor zwei Tagen angekündigt hatte, sollten die politischen Kräfte nicht in der Lage sein, die Forderungen der Demonstranten innerhalb von 48 Stunden zu erfüllen. Dieser Plan beinhaltet die Aussetzung der Verfassung, Formierung eines Expertenrats für einen neuen Verfassungsentwurf, die Ausrufung vorzeitiger Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sowie die Gründung einer nationalen Regierung bestehend aus Technokraten. Der Vorsitzende des Obersten Verfassungsgerichts Adly MANSOUR wird als Interimspräsident das Land kommissarisch leiten. Begleitet wurden diese Ereignisse von massiven Ausschreitungen zwischen ANTI- und PRO-MURSI Anhängern in allen Landesteilen, die mehrere Todesopfer und hunderte Verletzte forderten. Der Staatsstreich selbst verlief indes gewaltfrei.



Bewertung

Sowohl MURSI als auch das Militär verfügte angesichts des massiven öffentlichen Drucks über keine Handlungsalternativen. Die Anhänger der Muslimbruderschaft hätten ein Einknicken ihres gewählten Präsidenten nicht akzeptiert, die Armee war gezwungen zur Wahrung seines Ansehens auf den Druck den Anti-MURSI Demonstranten agieren. Zudem wurde gestern klar, dass die Armee bereits seit November 2012 MURSI zu einem Politikwechseln drängt und einen möglichen Staatsstreich vorbereitete. Die Armee selbst hat kein Interesse an einer direkten Machtübernahme, will im Hintergrund jedoch die Zügel in der Hand halten. Die Massenproteste zeigen, dass unterschiedlichste Teile der Bevölkerung mit der aktuellen Regierung massiv unzufrieden sind. Neben politischen Sackgassen und Konflikten, belasten die Ägypter die schlechte öffentliche Versorgung, wie die Anhäufung von Müll im ganzen Land, ständige Stromausfälle, schlechte Bildung und Massenarbeitslosigkeit – all jene sozialen Probleme, die die Muslimbruderschaft zu ihren Wahlzielen erklärte.

Die Komplexität dieser Probleme kann von einer Technokratenregierung jedoch kaum gelöst werden. Das Militär stellte mit der Gründung einer nationalen Einheitsregierung zwar die Beteiligung möglichst vieler gesellschaftlicher Gruppen in Aussicht, entscheidend ist jedoch, dass die Muslimbruderschaft und deren Anhänger daran nicht beteiligt sind. Den Millionen von MURSI-Gegnern, stehen seit Tagen einige Millionen Anhänger der Muslimbruderschaft gegenüber, die nach Jahrzehnten im Untergrund ihre Absetzung durch das Militär nach gewonnen Wahlen nicht akzeptieren werden. Vielmehr werden sich viele darin bestätigt fühlen, dass der demokratische Prozess für ihre politischen Ziele nicht geeignet ist. Es besteht die Gefahr, dass sich Teile der Muslimbruderschaft radikalisieren und abtauchen, um gewaltsam ihre Ziele durchzusetzen. Auch der algerische Bürgerkrieg geht auf den Staatsstreich des Militärs 1991 gegen eine islamistische Regierung zurück.

Prognose

Langfristige Entwicklung: Auch wenn es zu keinem Ausbruch eines Bürgerkriegs in Ägypten kommt, habe die vergangene Monate zu einem allgemeinen Niedergang von Recht und Ordnung im Land geführt. Die Armee ist darauf fokussiert, die schlimmsten Ausschreitungen in den Stadtzentren zu verhindern, Randbezirke können nicht ausreichende bewacht werden. In Teilen Kairos bekämpften sich gestern Abend rivalisierende Gruppen mit Maschinengewehren, kleinere Handfeuerwaffen, Messern, Stöcken und brennenden Gegenständen. Eine Übergangsregierung und jede neue Regierung wird vor immer größeren Herausforderungen und Erwartungen stehen, Recht und Ordnung wieder herzustellen und gleichzeitig für strukturelle Verbesserungen zu sorgen – ansonsten drohen auch ihr erneut öffentliche Proteste. Nach dem Fall MUBARAKS beansprucht beinahe jede gesellschaftliche Gruppe die Umsetzung ihrer Anliegen umzusetzen. Den oppositionellen Gruppen mangelt es jedoch an Organisation und tragfähigen, charismatischen Politikern (auch wenn gestern Gegenteiliges dargestellt wurde).

Mittelfristige Entwicklung: Auf Grund des bevorstehenden Fastenmonat Ramadan, werden die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen frühestens für Herbst 2013 angesetzt. Bis dahin werden sich Politik und öffentliche Aufmerksamkeit, auf die Ausarbeitung der neuen Verfassung und die Zusammensetzung des dafür zuständigen Expertenrats konzentrieren. Dieser Prozess hatte bereits 2011/2012 für heftige Auseinandersetzung und Verwerfungen geführt. Hier wird entscheidend sein, ob bzw. wie die Muslimbrüder beteiligt werden und wie diese darauf reagieren.

Kurzfristige Entwicklung: In den kommenden Woche wird es (im Vergleich zu den letzten Tagen) auf Grund massiver militärischer Präsenz, zu einer leichten Entspannung der Lage kommen. Beide Lager werden sich zunächst in ihren Alltag zurückziehen. Dennoch wird es immer wieder zu Ausschreitungen und Gewalt zwischen rivalisierenden Gruppen, aber auch mit dem Militär kommen. Das öffentliche Leben wird nur bedingt zur Normalität zurückkehren.

Quelle: www.corporate-trust.de