
Bleisure Travel und Workation sind längst mehr als nur kurzfristige Trends. Die mittlerweile als „Blended Travel“ (gemischte Reisen) mit einem Oberbegriff versehenen Reiseformen sind in vielen Unternehmen in der Realität angekommen. Einer aktuellen Umfrage des internationalen Marktforschungsunternehmens GWI unter deutschen Geschäftsreisenden zufolge haben bereits 27 Prozent der Befragten mindestens einmal eine Geschäftsreise mit privaten Aktivitäten kombiniert – oder planen dies künftig zu tun. Demgegenüber geben 74 Prozent an, derzeit keine Bleisure-Reisen zu unternehmen – entweder aus persönlichem Desinteresse oder weil ihr Arbeitgeber solche Modelle nicht unterstützt.
Ein möglicher Grund: Die Unsicherheiten rund um das Thema sind groß. Was auf den ersten Blick modern und unkompliziert erscheint, erweist sich in der Praxis schnell als komplex. Ohne fundierte Aufklärung und klare Regelungen bleiben viele Potenziale ungenutzt. Denn Bleisure-Travel und Workation werfen zahlreiche Fragen auf – von der A1-Bescheinigung über steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Risiken bis hin zu Datenschutz, Arbeitsrecht und der möglichen Gründung einer Betriebsstätte im Ausland.
Chefsache Business Travel (CBT) spricht mit Andreas Neumann, Geschäftsführer des ADAC Reisevertriebs, über Fallstricke, rechtliche Grauzonen – und darüber, warum Travel Management – Unternehmen eine entscheidende Rolle spielen, wenn aus dem Traum vom Arbeiten unter Palmen keine steuer- oder haftungsrechtliche Stolperfalle werden soll.
CBT: Herr Neumann, Bleisure und Workation sind in aller Munde. Was steckt hinter dem Trend – und warum nimmt er gerade jetzt Fahrt auf?
Die Nachfrage nach flexiblen Arbeitsmodellen ist enorm gestiegen. Viele Mitarbeiter wünschen sich mehr Autonomie, und das schließt auch den Arbeitsort mit ein. Ob Workation auf Mallorca oder das verlängerte Geschäftsreise-Wochenende in Paris – die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen zunehmend. Unternehmen greifen das auf, teils aus Überzeugung, teils zur Mitarbeiterbindung. Für den Reisevertrieb ergeben sich daraus völlig neue Anforderungen – auch in Bezug auf Beratung und Compliance.
CBT: Bleisure, Workation, Blended Travel und Remote Work – können Sie diese Begriffe einmal voneinander abgrenzen?
Bei Bleisure handelt es sich um eine klassische Geschäftsreise, die privat verlängert wird – etwa durch ein Wochenende am Zielort.
Workation bedeutet, dass die berufliche Tätigkeit an einen anderen Ort verlagert wird – etwa für zwei Wochen nach Portugal, um dort zu arbeiten. Das ist keine Reise im klassischen Sinne, sondern eine temporäre Verlagerung des Arbeitsplatzes.
Blended Travel wird zunehmend als Oberbegriff für Bleisure und Workation genutzt.
Remote Work bezieht sich auf grundlegende Arbeitsformen, ob mit oder ohne Geschäftsreiseanteil: Arbeiten von jedem beliebigen Ort – dauerhaft oder flexibel, innerhalb oder außerhalb des Landes. Sobald das Ausland ins Spiel kommt, steigen jedoch die Anforderungen erheblich.
CBT: Wo lauern denn konkret Fallstricke? Was kann schieflaufen, wenn Workation unvorbereitet umgesetzt wird?
Ein häufiger Fehler ist die Annahme, dass Workation einfach nur eine verlängerte Geschäftsreise mit Strandblick ist. Aber wer aus dem Ausland arbeitet, unterliegt bestimmten rechtlichen und steuerlichen Regeln. Wir können hier keine Rechtsberatung geben, aber einige Beispiele nennen, über die es sich lohnt, genauer nachzudenken.
Ein Klassiker ist die fehlende A1-Bescheinigung, die bei beruflichen Tätigkeiten im EU-Ausland erforderlich ist – selbst für einen Tag. Fehlt sie, drohen Bußgelder oder Probleme bei Versicherungsfällen. Auch Fragen rund um Daten- und Versicherungsschutz, Arbeitszeitregelungen, oder das Risiko der Gründung einer Betriebsstätte werden oft übersehen. So kann es unter bestimmten Umständen sein, dass durch die längere Tätigkeit eines Mitarbeiters im Ausland steuerlich oder rechtlich eine feste Niederlassung des Unternehmens in diesem Land angenommen werden kann. Ein Beispiel: Ein Sales Manager arbeitet über einen langen Zeitraum aus Spanien und führt dort Kundengespräche per Video. Die spanischen Behörden könnten – je nach Umstand – sagen: „Das Unternehmen ist hier dauerhaft geschäftlich aktiv“ – und verlangen Steuerabgaben oder Nachweise.
CBT: Wie ist denn der Versicherungsschutz während einer Workation geregelt?
Das hängt stark vom Einzelfall ab. Während einer klassischen Geschäftsreise besteht in der Regel gesetzlicher Unfallversicherungsschutz über den Arbeitgeber. Bei einer Workation, die auf Initiative des Mitarbeiters erfolgt und nicht direkt im betrieblichen Interesse liegt, kann dieser Schutz eingeschränkt sein oder sogar ganz entfallen.
Auch der Krankenversicherungsschutz ist nicht in jedem Fall ausreichend – insbesondere bei längeren Aufenthalten außerhalb der EU. Unternehmen sollten daher im Vorfeld prüfen, ob für bestimmte Destinationen oder Aufenthaltsdauern ein zusätzlicher Versicherungsschutz notwendig ist, etwa durch eine Auslandskrankenversicherung mit Rücktransportoption. Dabei muss vorab geklärt werden, wer diese Absicherung stellt: das Unternehmen oder der Mitarbeiter selbst. Entscheidend ist, dass solche Regelungen nicht dem Zufall überlassen werden, sondern vertraglich oder im Rahmen von Reiserichtlinien eindeutig geregelt sind. Eine stillschweigende Duldung, ohne klare Absprachen, kann im Ernstfall zu Haftungsfragen führen – etwa wenn ein Mitarbeiter im Ausland erkrankt und nicht ausreichend abgesichert ist.
CBT: Was muss ein Unternehmen vorab klären, wenn es Workation-Modelle anbieten möchte?
Zuerst braucht es klare interne Prozesse, Richtlinien und Ansprechpartner. Wer darf wann wohin reisen? Für wie lange? Welche Länder sind erlaubt? Was wird bezahlt – was nicht? Einige Unternehmen erlauben beispielsweise Workation nur für Mitarbeiter mit mindestens sechs Monaten Betriebszugehörigkeit und begrenzen den Zeitraum auf eine maximale Anzahl an Tagen pro Jahr. In einer sogenannten Länderfreigabeliste werden Destinationen anhand von Kriterien wie politischer Stabilität, Datenschutz oder medizinischer Versorgung eingestuft – etwa in „uneingeschränkt erlaubt“, „nur nach Prüfung“ oder „nicht geeignet“ – immerhin hat das Unternehmen eine Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiter, die es wahrnehmen sollte. Auch beim Thema Kosten ist eine saubere Trennung wichtig: Der dienstlich veranlasste Teil der Reise kann oft übernommen werden, private Verlängerungen müssen die Mitarbeiter in der Regel selbst tragen. Ergänzt wird das Ganze idealerweise durch technische und organisatorische Vorgaben – etwa zur sicheren Verbindung per VPN, zur Erreichbarkeit oder zur Zeiterfassung im Ausland.
Idealerweise gibt es, gerade in größeren Unternehmen, Workation-Guidelines, die häufig gemeinsam mit HR, Legal, IT abgestimmt sind und bei denen Geschäftsreisebüros gerne als Berater hinzugezogen werden.
CBT: Und wie kann ein professionelles Travel Management-Unternehmen dabei konkret unterstützen?
Wir als Travel Management Companies verstehen uns als strategische Partner. Neben der klassischen Reiseplanung beraten wir Unternehmen gezielt zu Themen wie Workation oder Bleisure Travel. Wir helfen zum Beispiel bei der Erstellung von Workation-Guidelines, geben rechtliche Hinweise und arbeiten eng mit externen Partnern oder spezialisierten Dienstleistern zusammen. Im Idealfall bieten wir ein Rundum-sorglos-Paket: von der Buchung über die Absicherung bis hin zur Risikobewertung. Die Risikobewertung setzt sich mit den von TMCs eingesetzten Travel Risk-Tools dann bei der durchgeführten Reise konkret fort.
CBT: Haben Sie ein Beispiel, wie so etwas in der Praxis aussieht?
Ein mittelständisches Unternehmen hat mit unserer Hilfe ein klar strukturiertes Workation-Konzept eingeführt – inklusive Länderfreigabeliste, definierten Zeiträumen und einem digitalen Beantragungsprozess. Die Mitarbeiter können so unkompliziert und rechtssicher aus dem Ausland arbeiten. Die Rückmeldungen sind durchweg positiv – sowohl von der Geschäftsleitung als auch von den Mitarbeitern. Und das Beste: Die Produktivität leidet nicht, ganz im Gegenteil: Viele berichten von überaus produktiven und vor allem zufriedenen Mitarbeitern. Geschäftsleitung und Führungskräfte bewegen sich zudem in einem sicheren Rahmen bzgl. Regelung und Durchführung.
CBT: Neben rechtlichen Themen geht es auch um das persönliche Wohlbefinden. Welche Rolle spielen Komfort und Stressreduktion bei der Reiseplanung?
Reisen ist ja nicht immer nur schön. Daher gilt: Eine gut geplante Reise ist immer auch die Voraussetzung für eine stressfreie Reise. Adäquate Umsteigezeiten, direkte Flugverbindungen, verlässliche Transfers – das sind Faktoren, die im Alltag oft unterschätzt werden. Gerade bei Workation oder Bleisure spielt das eine zentrale Rolle. Wir achten darauf, dass An- und Abreise effizient, aber nicht überfordernd sind. Auch Faktoren wie Hotelkomfort, Sicherheit und Arbeitsmöglichkeiten vor Ort fließen in unsere Empfehlungen ein.
Darüber hinaus stellen sich bei Workation und Bleisure ganz eigene Fragen: Wer organisiert die Unterkunft für den privaten Teil der Reise? Kann ich im gebuchten Hotel bleiben oder ist ein Wechsel sinnvoll – etwa weil das Hotel für private Zwecke zu teuer oder ungeeignet erscheint? In solchen Fällen unterstützen wir auf Wunsch bei der Umbuchung oder suchen gemeinsam mit dem Mitarbeiter nach passenden Alternativen. Auch bei der Klärung, welche Kosten vom Arbeitgeber getragen werden und welche privat zu zahlen sind, stehen wir beratend zur Seite. Unser Ziel ist es, dass sich Mitarbeiter auch jenseits der Dienstzeit gut aufgehoben fühlen – und Unternehmen gleichzeitig Planungssicherheit und Compliance behalten.
CBT: Wohin geht die Reise in den kommenden Jahren? Wird Blended Travel / Workation / Bleisure Travel zum neuen Standard?
Blended Travel wird definitiv kein kurzfristiger Trend bleiben oder sang- und klanglos wieder verschwinden. Immer mehr Unternehmen integrieren diese Möglichkeiten dauerhaft in ihre Arbeitsmodelle – allerdings mit klaren Spielregeln. Professionelles Travel Management spielt dabei eine immer wichtigere Rolle. Denn der Spagat zwischen Flexibilität sowie Rechtssicherheit und Compliance ist anspruchsvoll. Wer hier auf Beratung und Know-how der Geschäftsreisebüros setzt, ist deutlich besser aufgestellt – sowohl in rechtlicher als auch in organisatorischer Hinsicht – zum Vorteil für die Mitarbeiter aber auch ganz klar für die Unternehmen.
Weitere Informationen zur Initiative unter: www.chefsache-businesstravel.de
Bild: Pixabay
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