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Handlungsbedarf beim Thema Kabinenluft

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Die „Welt am Sonntag“ veröffentlichte am Sonntag, 27. Juli 2014, erneut Informationen rund um das Thema Kabinenluft. Doch was davon ist neu? Welche Erkenntnisse ergeben eine neue politische Dimension? Und wer ist jetzt eigentlich gefordert?
Der Bundestagsabgeordnete Markus Tressel von Bündnis 90/Die Grünen hat bereits mehr als ein Dutzend parlamentarische Initiativen gestartet und wies aktuell auf drei entscheidende Problembereich hin, die dringenden Handlungsbedarf erfordern:
1) Der Umgang der Fluggesellschaft CONDOR mit der von ihr in Auftrag und jahrelang unter Verschluss gehaltenen Studie.
2) Die Zusammenarbeit der Bundesbehörden bei Verstößen gegen das Meldewesen.
3) Die Ergebnisse einer neuen Studie, die die Verbindung von Nervenerkrankungen mit Triebwerkölen herstellt.
„Alle Punkte zusammen machen deutlich, dass verheimlicht, verharmlost und von Behörden wie Bundesregierung nicht durchgegriffen wurde“, so Tressel und er wird noch deutlicher: „Die Kreativität, die von Industrie und Wirtschaft genutzt wird, um das Problem zu einem Nicht-Problem zu erklären, sollten lieber in Lösungen gesteckt werden. So sind sie jetzt nach Jahren des Herumlavierens gefragt, glaubhaft zu vermitteln, was sich ändern wird.“
Dass die Fluggesellschaft CONDOR und damit auch Mitgliedern der deutschen Airlinelobby seit Jahren bewusst ist, dass es innerhalb des Cockpits aber auch in der Kabine zu Gesundheitsgefahren kommt, welche die Piloten in ihren Fähigkeiten so sehr beeinflussen können, dass dies Sicherheit beeinträchtigt, hält Tressel für schlicht ungeheuerlich: „Das widerspricht eindeutig dem Grundsatz „safety first“. Das widerspricht auch jeglicher sozialen Verantwortung. Und es widerspricht einer soliden Betriebsführung, das hier über Jahre wissenschaftliche Erkenntnisse und Empfehlungen schlichtweg ignoriert werden.“ Tressel kündigt an, dieses erneut im Bundestag aufzusetzen. „Ich werde hier auch erneut auf meine Kollegen aus Union und SPD zugehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese da anderer Auffassung sind. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Airlinelobby hier ganz bewusst über Jahre hinweg dem Plenum gegenüber andere Tatsachen vorgespielt hat.“
Dass aus weiteren Dokumenten hervorgeht, dass die bei der Airline nicht bekannte Fälle von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) an Condor zur Aufarbeitung sendet, ist für Tressel Beleg dafür, dass die Bundesregierung nicht durchgreift. „Bereits vor drei Jahren meinte die Bundesregierung, dass auf Nachfrage gemeldete Fälle nicht automatisch einen Verstoß darstellten. Hier funktioniert das Meldewesen doch nicht. Der Pilot oder Flugbegleiter meldet einen Vorfall und es geschieht anschließend nichts weiter? Nein, nur in den seltensten Fällen werden überhaupt Untersuchungen durchgeführt. Und wer suchet, der auch findet.“ Ein Beispiel aus dem Jahr 2012: 201 Fälle mit kontaminierter Kabinenluft wurden dem LBA gemeldet. Von 79 hat die BFU Kenntnis. Doch nur in 14 Fällen konnte eine adäquate Untersuchung vorgenommen werden, beispielsweise weil die Meldungen sonst nicht unmittelbar erfolgten, um Untersuchungen einzuleiten. Bei den 14 Fällen wurden 8 schwere Störungen festgestellt (vgl. BT-Drs. 18/222, S.7). Tressel dazu: „Mit anderen Worten: In über 50% der Fälle, in denen die BfU untersucht hat, kam sie zu anderen Ergebnisse als die Airlines. Dass alleine ist noch nicht genug. Bis heute wurde nicht einmal ein Bußgeld verhängt. Man stelle sich mal vor, die Polizei wäre bei einem Verkehrsunfall mit Fahrerflucht so zögerlich.“ Dieses Vorgehen widerspricht auch der EU-Regelung, die in der EU-Verordnung 996/2010 festgehalten ist. Tressel wird daher erneut mit seinem Kollegen Michael Cramer im Europaparlament das weitere Vorgehen absprechen. Auch Cramer hatte die Europäische Kommission mehrfach auf die Thematik hingewiesen. Tressel: „Wenn die EU ein Interesse hätte, würde hier wohl ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesregierung eine angemessene Antwort sein.“
Zu den Ergebnissen der sogenannten „Westgate-Studie“, in der Wissenschaftler belegen, dass Erkrankungen (mit Todesfolge) auf die Triebwerköle zurückzuführen sind, erklärte Tressel: „Wir fordern bereits seit 2011 eine unabhängige Studie von einem Expertengremium, die die Wechselwirkungen aus Pestiziden, erhöhter Ozonbelastung, Öldämpfen in Verbindung mit der besonderen Umgebung in einem Flugzeug, wie beispielsweise Druckluft und geringer Luftfeuchtigkeit untersucht. Dass allein Ozon, ein krebserregendes Reizgas, zusammen mit geringer Luftfeuchtigkeit alles andere als gesund sein kann, ist einleuchtend.“ Die BFU hatte erst vor zwei Monaten eine Studie präsentiert, in denen mehrere Hundert Vorfälle statistisch ausgewertet worden sind. Darin spricht sie zwar von einem Problem, doch trotz fehlender Untersuchungen vor allem von einer Einschränkung des Komforts.
Tressel abschließend: „Spätestens jetzt sollte sich Minister Dobrindt und die Bundesregierung nicht mehr mit Alibipolitik und dem Abfassen von Zahlensammlungen, die ohnehin alle nicht stimmen, versuchen zu profilieren. Jetzt sind technische Lösungen beispielsweise über die Anteilseignerschaft bei AIRBUS gefragt. Aber auch soziale Lösungen sind dringend: Hier wird vor allem eine Berufsgenossenschaft Verkehr schleunigst Antworten liefern müssen.“ Das nächste Branchentreffen, zu dem die BG in den vergangen beiden Jahren zweimal eingeladen hat, wird da sicher unter anderen Voraussetzungen stehen.